Bei der Gleichberechtigung hat sich in den letzten Jahren einiges in Deutschland getan: Immerhin ist jeder fünfte DAX-Vorstand mittlerweile weiblich und Frauen in den Top-Etagen von großen börsennotierten Firmen verdienen mehr als ihre männlichen Kollegen. Sogar im DFB-Präsidium sind Frauen angekommen. Zudem hat sich der Gender Pay Gap verringert: Lag die Lohnlücke für Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer in 2006 bei 23 Prozent, beträgt sie aktuell "nur noch" 18 Prozent.
Beim Sparverhalten sind die Geschlechterunterschiede jedoch nach wie vor groß: Während bei den Frauen nicht einmal jede Dritte für das Alter vorsorgt, sind es bei den Männern fast 40 Prozent, die ihren Lebensabend finanziell absichern. Ohnehin ist die gesetzliche Rente mit durchschnittlich 982 Euro pro Monat nicht sonderlich üppig. Für Frauen fällt sie aber noch geringer aus und beläuft sich momentan im Mittel auf knapp 600 Euro. Derzeit gelten 20 Prozent der Frauen über 65 Jahren als armutsgefährdet. Damit es heute 30-jährigen Frauen später nicht ebenso ergeht, müssten sie bereits 52.000 Euro gespart haben, um die Rentenlücke zu schließen. Bei 40-Jährigen sollte der Sparbetrag sogar doppelt so hoch sein. Mit traditionellem Sparen lassen sich diese Summen nicht erzielen.
Trotzdem ist das Interesse an Geldanlagen bei Frauen gering: Nur jede Zweite beschäftigt sich damit. Bei Männern sind es mit 65 Prozent deutlich mehr.
Was kann getan werden, damit sich Frauen stärker mit ihrer finanziellen Absicherung beschäftigen und ihre Finanzen aktiv planen?
Die Journalistin Dagmar Hotze hat exklusiv für uns mit der Wirtschaftsforscherin Dr. Antonia Grohmann gesprochen, die an der Universität Aarhus das Finanzverhalten von Frauen weltweit untersucht.
Frau Dr. Grohmann, warum beschäftigen sich Frauen nur zögerlich mit ihrer finanziellen Absicherung, obwohl gerade sie von Altersarmut betroffen sind?
Dr. Grohmann: Dies ist schwer zu sagen. Bei Studien wird immer wieder gefunden, dass Frauen eine geringere Finanzbildung haben als Männer, dies wird sicherlich eine große Rolle spielen. Hinzu kommt natürlich, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen: wer weniger verdient, kann natürlich auch weniger Geld anlegen. Hinzu kommt, dass es sicherlich in Deutschland nicht oft als Teil der Aufgabe von Frauen angesehen wird, sich mit Finanzen zu befassen. Hierfür gibt es starke kulturelle Gründe. Es gibt Länder, in denen Finanzen eher eine Aufgabe für Frauen zu sein scheinen. Hier ist oft die finanzielle Bildung von Frauen höher.
Welche Hürden müssten abgebaut werden, damit sich Frauen mehr für das Thema Geldanlage interessieren?
Dr. Grohmann: Die finanzielle Bildung von allen sollte verbessert werden, aber besonders die von Frauen. Dies könnte am einfachsten in der Schule passieren. Um Frauen das Thema näher zu bringen, sollte an Schülerinnen vermittelt werde, dass Finanzen auch ihre Aufgabe sind.
Haben Frauen andere Präferenzen als Männer, wenn sie Geld investieren?
Dr. Grohmann: Ja, Frauen sind risikoaverser. Sie legen ihr Geld oft eher in sicheren Geldanlagen an, die aber auch geringere Gewinne bringen. Außerdem sind Frauen oft auch geduldiger. Sie legen eher langzeitig an.
Entsprechen die derzeitigen Geldanlagemöglichkeiten den Bedürfnissen von Frauen oder wie müssten sie konstruiert sein, damit sie besser zu deren Lebenssituation passen?
Dr. Grohmann: Ich glaube nicht, dass Frauen andere Produkte brauchen als Männer. Sie brauchen vielleicht eher andere Zugänge zu den bestehenden Geldanlagemöglichkeiten. Eher sollten die Informationen über Produkte so dargestellt werden, dass sie zu der Lebenssituation von Frauen passen.
Kann die Digitalisierung dazu beitragen, dass Frauen der systematische Vermögensaufbau leichter fällt?
Dr. Grohmann: Schwer zu sagen. Aus der Fintech-Literatur weiß man, dass eher Leute mit höherer Finanzbildung Fintechs nutzen. Es sind also momentan Menschen, die eher finanzaffin sind, die solche Möglichkeiten nutzen. Natürlich kann die Digitalisierung viele Produkte auch günstiger machen, was diese Produkte für Frauen mit geringerem Einkommen attraktiver machen könnte. Es geht also darum, dass Frauen diese Produkte auch annehmen.
Dr. Antonia Grohmann arbeitet seit April 2020 als Assistenzprofessorin an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Aarhus, wo sie international zur finanziellen Bildung von Frauen forscht. Zuvor beschäftigte sie sich für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mehrere Jahre mit geschlechterspezifischen Finanzfragen. Beispielsweise untersuchte sie 2016 den Gender Pay in der finanziellen Bildung. Darüber hinaus gehörte sie zu den Organisatoren des jährlich stattfindenden Workshops "Finanzkompetenz für alle Lebenslagen".