Das erfährst Du hier:
• Wieso die Immobilienmärkte in Deutschland intransparent sind
• Warum Länder wie die USA offener mit Informationen umgehen
• Weshalb Datenstandards und Digitalisierung wichtig sind
• Welche Informationsmöglichkeiten private Immobilieninvestoren haben
Erinnerst Du Dich an Deinen letzten Smartphone-Kauf? Wie leicht der Preisvergleich zwischen den verschiedenen Modellen war? Im Internet ging das praktisch im Handumdrehen. Nach wenigen Klicks wusstest Du, wer welches Fabrikat anbietet, was jedes Modell kann und wie viel Dich der Spaß kostet. Noch ein Klick und Dein Favorit war gekauft. Ein anderes Beispiel sind Aktienkurse. Du möchtest wissen, wie die XY AG aktuell bewertet wird? Kein Problem. Die App auf Deinem Smartphone zeigt es Dir. Mehr Transparenz geht nicht. Davon sind die deutschen Immobilienmärkte meilenweit entfernt. Wem was wo gehört und wer was für wie viel ver- oder gekauft hat? Diese Informationen sind nicht für die Allgemeinheit zugänglich. Wie kann das sein, wo sie wirtschaftlich von enormer Bedeutung sind? 2019 wurden hierzulande über 70 Milliarden Euro in Gewerbe- und gut 18 Milliarden Euro in Wohnimmobilien investiert.
Ein weiterer Vergleich: Der Wert aller im Umlauf befindlichen Aktien in Deutschland betrug 2019 ca. 1,9 Billionen €. Der Wert des Nettoanlagevermögens in Wohn- und Nichtwohnbauten betrug 2019 rund 9,4 Billionen €.
Wir haben uns für Dich auf die Suche nach Antworten gemacht und zeigen Dir Möglichkeiten, mit denen Du etwas Licht ins Dunkel bringen kannst.
Übrigens: Über die Bedeutung von Immobilienmärkten und die Rolle transparenter Marktdaten, sprachen wir kürzlich mit Prof. Dr. Vornholz, der Immobilienökonomie an der renommierten EBZ Business School lehrt und sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit Immobilienmärkten beschäftigt.
Das Nadelöhr ist das Grundbuch, ein nur beschränkt öffentliches Register. Wer hier Einsicht nehmen will, um sich über die Eigentumsverhältnisse von Immobilien und Grundstücken zu informieren, muss ein berechtigtes Interesse haben und nachweisen. Nur aus Neugierde mal gucken zu wollen, wem der schicke Neubau in der Mustermannstraße gehört, reicht nicht. Es müssen schon triftige Gründe sein, etwa weil man Erbe oder Wertermittler ist.
Nicht nur als Privatperson ist es in Deutschland schwierig, sich über Immobilienbesitzverhältnisse und tatsächlich gezahlte Kaufpreise zu informieren. Auch professionelle Investoren fischen oft im Trüben, weil meist Stillschweigen über Transaktionen vereinbart wird. Zwar glänzt mancher Käufer gerne in der Branchenpresse mit dem Erwerb einer Top-Immobilie. Konkrete Zahlen zu Kaufsummen gibt es indes so gut wie nie. Einige wollen nicht, dass publik wird, dass sie das Objekt (vielleicht zu teuer?) erworben haben. Andere möchten lieber im Hintergrund bleiben. Die Intransparenz hat einen üblen Nebeneffekt: Geldwäsche und Steuervermeidung.
In angelsächsischen Ländern ist es um die allgemeine Transparenz von Immobilienmärkten besser bestellt. Laut "Global Real Estate Transparency Index (GRETI)", den der Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle alle zwei Jahre veröffentlicht, zählten Großbritannien, die USA und Australien in 2020 zu den hoch transparenten Ländern weltweit. In den Stadtregionen belegten London, Los Angeles, Sydney und Washington D.C. die obersten Ränge. Deutschland schaffte es lediglich auf Platz 10 und spielte damit nur knapp in dieser Liga mit. Überzeugt haben die englischsprachigen Top-Drei unter anderem in den Bereichen Digitale Datenerhebung, Nachhaltigkeitsbestrebungen, Geldwäschebestimmungen und bei der besseren Rückverfolgung alternativer Investments wie Private Equity oder Venture Capital. Die Auskunftsfreude ist hierzulande demnach noch ausbaufähig, obschon Deutschland international als sicherer Hafen für Immobilieninvestitionen geschätzt wird.
Die US-amerikanische Immobilienplattform Zillow ist ein Beispiel dafür, wie durch Digitalisierung und Daten die Geheimniskrämerei um Hauspreise in den Staaten beendet werden konnte. Gegründet 2007 von zwei ehemaligen Microsoft-Managern, ist die Plattform technologisch mittlerweile so weit ausgereift, dass sie durch den Einsatz künstlicher Intelligenz den Marktwert von Immobilien ermittelt und potenzielle Verkäufer automatisch ein Angebot erhalten. Entschließt sich ein Verkäufer zum Verkauf läuft die gesamte Transaktion in nur wenigen Tagen über die Plattform ab. Zunächst kauft Zillow das jeweilige Objekt selbst, um es anschließend weiterzuverkaufen. Möglich machen das zwei ziemlich beste Freunde: Stichhaltige Daten und digitalisierte Prozesse.
Zurück nach Deutschland: Die Forderung nach mehr Markttransparenz kommt nicht zuletzt aus der Immobilienbranche selbst, insbesondere von professionellen Investoren. Denn gerade wenn es um die Bewertung von Immobilien geht, sind valide Daten unerlässlich. Wer will schon die Katze im Sack kaufen? Für die Risikoabschätzung sind fehlende Informationen ohnehin ein absolutes No-go. Umgekehrt möchte man natürlich auch eventuelle Chancen erkennen können. Die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) engagiert sich seit Jahren für mehr Durchblick in den Immobilienmärkten, wobei es auch um die Etablierung von Datenstandards geht. Hier ist viel zu tun.
Denn das Sammelsurium an verschiedenen Daten (die nicht selten auf Papier in irgendwelchen Aktenordnern schlummern) aus unterschiedlichen Quellen (von denen die Daten teils aufwendig zu besorgen sind) muss erst mal geordnet und in digitale und nutzerfreundliche Form gebracht werden. Zudem müssen die Informationen aktuell gehalten werden. Eine unglaubliche Sisyphusarbeit.
Das Analysehaus Bulwiengesa hat die Herkulesaufgabe in Angriff genommen und im Juli 2020 die „Initiative Comparables“ gestartet, die professionellen Immobilieninvestoren eine Online-Plattform zur Verfügung stellt, mit dem Ziel, den Transaktionsmarkt für alle Immobilienarten in Deutschland transparenter zu machen. 20 Mitglieder zählt die Organisation derzeit, darunter Schwergewichte wie Allianz, Hanse Merkur und Union Investment. Erstmals existiert damit eine Transaktionsdatenbank für Immobilien hierzulande, die ausschließlich Echtdaten nutzt. Die Informationen wie Gebäude- und Nutzungsart, Objektgröße, Erträge, Kaufpreise, Renditen und vieles mehr stammen von den Mitgliedsunternehmen und sind aus kartellrechtlichen Gründen anonymisiert. Alle Transaktionen, die die Mitglieder tätigen, werden auf der Plattform gesammelt, ausgewertet und offengelegt, mit Ausnahme der Namen des Käufers und Verkäufers sowie der Projektadresse.
940 Transaktionen im Gesamtwert von über 23 Milliarden Euro sollen bisher auf der Plattform einsehbar sein, heißt es auf dem Blog des Analysehauses. Die durchschnittliche Anfangsrendite läge bei 4,74 Prozent. Zudem fördere die Auswertung interessante Erkenntnisse zutage: Zum Beispiel würde keineswegs nur in Ballungszentren investiert, wenngleich Büros in den sieben sogenannten A-Städten (Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und München) ganz oben auf der Einkaufsliste stünden. Überdies zeige sich eine extrem breite Renditespanne, die von 0,2 bis 67,9 Prozent reiche. Ohne die Plattform würde jeder Investor nur mit seinen eigenen Daten zurechtkommen müssen.
Diesen komfortablen Einblick in das Marktgeschehen auf den Immobilienmärkten in Deutschland haben private Immobilienanleger nicht. Für sie heißt es: Wer sucht, der findet. Die erste und beste Adresse für verlässliche Informationen über Immobilientransaktionen ist der Gutachterausschuss für Grundstückswerte. Das unabhängige Gremium von Immobiliensachverständigen wurde 1960 mit dem Ziel gegründet, für Transparenz auf dem Grundstücksmarkt zu sorgen. Der jährlich herausgegebene Immobilienmarktbericht Deutschland sollte Pflichtlektüre von Privatanlegern gehören, denn er liefert profunde Daten über alle Verkäufe, Preise und Preisentwicklungen von Gewerbe- und Wohnimmobilien in den einzelnen Bundesländern. Zudem veröffentlichen die Landesausschüsse einen eigenen Marktbericht mit Detaildaten über das Transaktionsgeschehen im jeweiligen Bundesland. Die Dokumente stehen entweder komplett oder als Kurzfassung (kostenfrei) als PDF zum Download bereit.
Die Lektüre ist höchst interessant, denn es sind regionale Entwicklungen sichtbar, die einem sonst verborgen blieben. Darüber hinaus lohnt ein Blick in die Marktreports von Immobiliendienstleistern wie BNP Paribas, Savills oder JLL zu werfen und die Analysen von Finanzinstituten wie der DZ Bank oder DekaBank zu lesen. Aufschlussreich sind auch themenspezifische Berichte, beispielsweise über das Büro der Zukunft oder Green Buildings, also „grünen“ Immobilien, weil sie Zusammenhänge und Trends verdeutlichen.
Schnell lassen sich die Immobilienmärkte in Deutschland also leider nicht scannen. Aber wer mit dem Gedanken spielt, in Immobilien zu investieren, sollte ohnehin vorab genau prüfen, wo sich ein Investment lohnt. Hat man sich erst einmal ein Schema für die eigene Recherche zurechtgelegt, macht die Suche nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten sogar Spaß. Schlauer wird man in jedem Fall.